„Anstelle der Hektik tritt die Stille und das Schweigenkönnen“.

Schön, dass ihr wieder dabei seid, dass wir gemeinsam weitergehen können auf dem Yogaweg.

Ich habe einen Text bzw. Textteile herausgesucht, mit denen ich mich in den nächsten Stunden und daher auch in diesem Blog, intensiver beschäftigen möchte. Mal sehen, ob es uns durch den ganzen Kurs trägt. Tatsächlich war ich auch beim letzten nicht ganz überzeugt davon, dass dieses Gedicht uns einen ganzen Kurs lang begleiten würde…..

Wir haben da gesehen, dass Rilke viele Gedanken aus dem, was wir heute mit dem Yoga verbinden, aufgenommen hatte, in seinem Gedicht – zumindest so, wie ich es interpretiert habe.

Der Text, den ich nun herausgesucht habe, stammt aus dem Buch „Vollende, was du bist“, von Helga Simon- Wagenbach.

An das Ende dieses Buches hat sie eine Zusammenfassung von Gedanken von Jean Gebser gestellt.

Gebser war Philosoph, der sich viel mit der menschlichen Transformation hin zu einem anderen Bewusstsein für das Wesentliche im Leben auseinandergesetzt hat. Hierfür wird häufig der Begriff „integral“ verwendet, so wie auch Helga Simon- Wagenbach, eine meiner ganz frühen Lehrerinnen, diesen Begriff für den von ihr gelehrten Yoga -Weg verwendet.

Ihr Buchtitel „Vollende was du bist“ lässt vermuten, dass wir etwas in uns tragen, was wir noch nicht so ganz nach außen bringen konnten.

Wir haben die Möglichkeit, uns zu entwickeln, uns weiterzuentwickeln. Etwas, das wir auch als Transformation bezeichnen können. Eben das, was in uns ist – verdeckt hinter unserer Gedankenmauer, hinter unseren Glaubenssätzen -, zum Vorschein zu bringen. Etwas, das es möglicherweise in uns zu entdecken gibt, ins Leben zu führen.

Der Text besteht aus mehreren Ideen und Sätzen. Alle Zeilen beginnen mit dem Wort „anstelle“. Anstelle einer Haltung oder Handlung tritt eine andere.

Besonders angesprochen hat mich zunächst einmal die allererste Zeile.

„Anstelle der Hektik tritt die Stille und das Schweigenkönnen“.

Das ist ja etwas, was wir aus dem Yoga kennen.

Die Idee, dass es still werden kann.

Was ist das für eine Stille? Ist das diese Stille, die entsteht, wenn ich nicht mehr weiß, was ich sagen soll, wenn es in einem Gespräch plötzlich still wird und sich das unangenehm anfühlt?

Diese Stille ist hier wohl überhaupt nicht gemeint. Es kann still werden in unserem Geist.

Aus den Yoga-Sutras von Patañjali kennen wir „Yogas Citta Vritti nirodhah“. Die Bewegungen des Geistes kommen zur Ruhe.

Gebser geht dann noch weiter. Anstelle der Hektik tritt die Stille und das Schweigenkönnen.

Es ist also nicht das Schweigen müssen das bedeuten würde: „Ich habe nichts mehr zu sagen: Ich werde nicht gehört“ „Niemand will wissen, was ich zu sagen habe“.

Es ist das Schweigen können. Es ist die Idee, nicht zu allem und jedem eine Meinung haben zu müssen, nicht zu allem und jedem etwas sagen zu müssen.

Vielleicht einfach erst mal zuhören zu können ohne gleich eine Reaktion folgen zu lassen, mich etwas zurücknehmen, still werden.

Schweigen können heißt auch, mich nicht getrieben zu fühlen, noch etwas zu sagen, noch etwas dazu zu tun, auch meine Meinung noch zu äußern.

still werden

schweigen können

und damit weg von der Hektik.

Die Hektik, die ja nicht nur im Äußeren oft zu finden ist, sondern auch als Unruhe in unserem Geist.

Das Besondere an unserem Yoga-Weg ist, dass wir Übungsformen für diese Transformation, für diese Veränderung haben. Wir wissen, dass wir unseren Körper für die Transformation wahrnehmen, frei werden lassen können. Wir wissen, dass sich der Geist beruhigt über das ruhig werden im Atem.

All das kennen wir aus dem Yoga-Weg und jede Yogastunde gibt uns die Möglichkeit, uns auf diesen Weg der Transformation, der Veränderung in uns zu machen.

Ihr wisst es, dass es nicht immer eine ganze Yogastunde braucht. Es braucht die regelmäßige Übung. Doch wir müssen nicht immer eine ganze Stunde auf der Matte verbringen, um anschließend etwas ruhiger wieder in den Alltag einzusteigen. Wir können uns auch im Alltag immer wieder diese kleinen Pausen, diese kleinen Inseln nehmen, in denen wir zur Ruhe kommen, still werden, Schweigen können und so der Hektik einen kleinen Schubs zurück geben.

Schweigen können, still werden, im Innen und im Außen.

Damit wir den Faden in unserem Üben nicht verlieren ist es gut, auch immer wieder etwas längere Yoga-Einheiten in unserem Alltag einzubauen. Also mal wirklich auf die Matte zu gehen

und länger zu üben und uns zurückzunehmen und einzulassen auf den Prozess der Transformation.

Vielleicht sind die Impulse aus diesem Text hilfreich für die Vertiefung deiner Yogapraxis!